
»Systemrelevant«
Colin Crouch erklärt in seinem neuen Buch Das befremdliche Überleben des Neoliberalismus, warum neoliberale Gedanken trotz Finanzcrash noch lange nicht tot sind.
Manchmal braucht es bloß einen Begriff, um eine unbefriedigende Situation zum Thema zu machen, Colin Crouch ist das mit „Postdemokratie“ gelungen. Der britische Politikwissenschaftler und Soziologe hat hinter diesem Schlagwort den Unmut über politische Scheingefechte, Sozialabbau, Privatisierungen und Politikverdrossenheit versammelt und zu einer These geformt: Wir bewegen uns auf einen Zustand der Postdemokratie zu, in dem zwar nach wie vor Wahlen abgehalten werden, die mitunter auch zum Austausch von Regierungen führen, aber diese Wahlen seien nur mehr Spektakel und politische Inszenierungen. Die reale Politik würde hinter verschlossenen Türen gemacht, „von gewählten Regierungen und Eliten, die vor allem die Interessen der Wirtschaft vertreten.“
The revolution will be televised, aber zuerst steht sie auf Twitter.
Ein Mausklick und ich habe der ganzen Welt gezeigt, dass ich einen Ziegelstein sympathischer finde als HC-Strache, dass ich Atomkraftgegner bin oder dass ich Studiengebühren ablehne. Noch nie war es einfacher, seinen Protest kundzutun als im Web 2.0 und seinen Social-Media-Anwendungen. Nie war Protest aber auch so unverbindlich, und so wundert es nicht, dass sich soziale Bewegungen im Web wieder verlaufen, bevor sie ins Gehen gekommen sind.
Dass Web-2.0-Anwendungen allerdings soziale Proteste befeuern können, haben nicht nur die Revolutionen in Tunesien und Ägypten gezeigt, bei denen Facebook oder Twitter eine bedeutende Rolle gespielt haben, auch hierzulande gibt es genügend Beispiele für einen gelungenen Einsatz des Mitmachwebs für zivilgesellschaftliches Engagement. Die beiden Soziologen Hans Christian Voigt und Thomas Kreiml haben sie zusammengetragen und als Anleitung publiziert: Soziale Bewegungen und Social Media. Handbuch für den Einsatz von Web 2.0 (im Folgenden #sbsm).Die beiden Herausgeber wollen ihr Handbuch von Ratgeberliteratur abgrenzen, die Social Media für Unternehmen, deren Verkäufe und Marketingzwecke erklären. Die gäbe es ohnehin so häufig wie Freundschaftsanfragen auf Facebook.
Anonymous – zwischen kollektiver Identität und konkreter Aktion
Die Medienwissenschafterin Jana Herwig forscht schon seit knapp zwei Jahren über Anonymous. Im Interview mit Simon Welebil spricht sie über die Schwierigkeiten Anonymous begrifflich zu fassen, die Kommunikationscodes von Anonymous, ihr Verständnis als Avantgarde und ihr revolutionäres Potenzial.
Nachdem in den Medien für Anonymous lange die Begriffe Hacker-Kollektiv, Cyber-Terroristen oder Hacker-Organisation reserviert waren, hat sich in letzter Zeit der Begriff Internet-Aktivisten durchgesetzt. Wie würdest du Anonymous charakterisieren?Jana Herwig: Anonymous ist nicht für eine einzelne Beschreibungsweise einnehmbar – und damit beginnt schon die Herausforderung in der Auseinandersetzung damit. Ich halte es für hilfreich, zwei Ebenen zu unterscheiden: Einerseits haben wir Anonymous als kollektive Identität, andererseits die konkrete Aktion. Als kollektive Identität ist Anonymous die Imagination einer Vielheit, die strafend und allmächtig auftritt.
Die andere Seite der Tiroler Gesellschaft
Das Gaismair-Jahrbuch 2011
Die öffentliche Erinnerung an zwei Tiroler Aufständische könnte
unterschiedlicher kaum sein: Während dem einen, der für Gott, Kaiser
und Vaterland gekämpft hatte, der Status eines Landeshelden zuteil
wurde, samt Landeshymne, Landesfestumzug und nagelneuem

Aufstand der Prekären
Während prekäre Arbeitsbedingungen immer mehr um sich greifen, beginnt auch der Widerstand gegen Prekarisierung zu wachsen, getragen von der Mittelschicht.
Der Heilige hat seinen ersten Auftritt gut gewählt. Er erscheint an
einem Sonntag, in einem neu eröffneten Supermarkt in Mailand. Als
einige Gläubige zu beten beginnen, halten die Kassiererinnen kurz im
Scannen der Waren inne und KundInnen lösen irritiert ihren Blick

Die Entzifferung der Grabsteine
Mit Texten von Heiner Müller forscht ein künstlerisches Kollektiv nach den Spuren des Totalitarismus in Osteuropa.
Zwölf Minuten waren das Ziel. Zwölf Minuten der Improvisation mussten
möglich sein, bevor Staats- und Sicherheitsorgane einschritten.
Improvisationen in weißer Kleidung, mit blauen Stoffbahnen und mit
Texten von Heiner Müller, auf Plätzen und öffentlichen Orten in
